Murmeltiere auf eigene Gefahr
Col d‘ Agnel – Colle di Sampeyre – Vallone d‘ Valley Elba – Col d‘ Esischie – Colle dei Morte – Colle Valcavera – Vallone dell’Arma – Madonna del Coletto
In der Nacht suche ich mir via booking.com schon mal ein Zimmer in der Nähe von Alessandria – ist schon angenehm am Abend keinen Unterkunftsstress zu haben. Die zunächst anvisierte JH hat vernichtende Kritiken – muss ich nicht haben. B&B La Colombaia in Castelnovo Bormida, 25km vor Alessandria, sieht preisgünstig und vielversprechend aus (und es sollte mich nicht enttäuschen).
Wenn ich schon am Bonette nicht war, dann wenigstens über die höchste grenzüberschreitende Passtrasse der Alpen, den Col d‘ Agnel. Die Strasse ist deutlich kleiner als auf den anderen grossen Pässen – und, obwohl kaum möglich – hier ist noch weniger Verkehr. Auf dem Weg dorthin noch ein halbherziger Abstecher Richtung Sommet Bucher, aber irgendwie hab ich heute (wieder einmal) keine Lust auf Schotter.
Aber obwohl doch praktisch kein Verkehr – auf der Abfahrt vom Agnel habe ich drei (!) Rentner-PKWs vor mir, die keinerlei Anstalten machen mich auf den Geraden zwischen den ersten Kehren mal vorbei zu lassen. Im Gegenteil – die fahren tatsächlich kaum schneller als Schrittempo extra weit links! An den ersten beiden komme ich irgendwie vorbei. Der letzte macht dann, nachdem ich ein wenig gedrängelt habe, tatsächlich Platz – fährt mitten in einer engen Spitzkehre rechts ran und hält an.
Die Abfahrt ins Tal ist endlos. Ca. 1800m Höhenunterschied, zeitweise mit 14% Steigung (bzw. Gefälle).
Um nicht direkt nach Alessandria zu fahren habe ich mir über alpenrouten.de noch ein paar kleinere Pässe gesucht, die so mehr oder weniger auf dem Weg liegen.
Zuerst : Colle di Sampeyre. Die Auffahrt recht ruppig, einige Schlaglöcher, und lang. Oben angekommen die Belohnung einer wunderbaren Aussicht. Das Ende der Alpen naht …
Abfahrt durch Vallone d‘ Valley Elba, eine wildromantische Schlucht.
Dann auf dem Plan : Das Triple Col d‘ Esischie, Colle dei Morte, Colle Valcavera.
In Marmora : Sperre. Aber nur ein Schild. Mit langem italienischen Text drunter, den ich nicht verstehe. Da steht was von ‚privati‘ oder so, und die Zahlen 8 und 19 kann ich noch lesen. Ich interpretiere frei : Von 8 bis 19 Uhr auf eigene Gefahr 😉
Auf alpenrouten.de ist die Strecke von hier bis zum Esischie mit SG 2-3 angegeben. Bei dem Zustand der Strecke würde ich da mal 1 draufzählen. Asphalt war gestern. Die Strasse ist in dermassen schlechtem Zustand – kein Wunder dass die gesperrt ist. Zwischendurch fehlen auch mal hier und da 100m komplett – verschüttet durch Erdrutsche. In jedem Fall mit Abstand der schwierigste Teil der Tour. Aber umdrehen gilt nicht – das wäre ein enttäuschender Abschluss der Tour. Also kämpfe ich mich – meist im 1. Gang, bei bis zu 15% Steigung, durch eine Strasse die ungelogen aus 50% Schlagloch besteht. Mit der SR ist das kein Problem – Probleme sind was anderes. Aber einen grossen Tourer oder Sportler mit tiefgelegter Verkleidung möchte ich da wirklich nicht hinaufschicken. Für die gut 11 km lange Strecke brauche ich über eine halbe Stunde. Auf dem Weg: Niemand. Hier gibts (natürlich) auch kein Netz. Wer hier liegenbleibt hat glaube ich ein Problem. Auf 2200m tatsächlich Rauch aus einem Schornstein. Hier verkauft ein Alm-Bauer Käse. Fragt sich nur an wen.
Kurz vor Top wird die Strasse tatsächlich ein klein wenig besser. Oben angekommen bin ich geschafft – und da stehen tatsächlich 3 (!) Autos.
Nach kurzer Verschnaufpause : Es hat sich gelohnt, hier nochmal auf über 2400m zu steigen.
Für die Weiterfahrt biege ich oben zunächst falsch ab und überlege dann, ob ich nicht doch den kürzeren Weg ins Tal nehmen soll. Die Strecke hier ist besser, und wer weiss was mich am Morti erwartet. Aber nein – kneifen gilt nicht. Also umdrehen und zum Morti, ist ja nur 1 km.
Dort erwartwet mich ein Trupp Motorradfahrer („Ach guck mal, ne SR!“). Sind mit dem Motorrad Action Team unterwegs – 100 Pässe in 7 Tagen (kann ich auch alleine 😉 ). Haben zwischendurch irgendwo 2 Leute verloren die sich verfahren haben und warten jetzt auf die. Als die Nachzügler eintreffen fahren sie weiter – allerdings nicht über die Strecke, die ich gekommen bin.
Der Abgang über Vallone dell’Arma gestaltet sich dann entspannt. Die Strasse ist eng, aber der Asphalt ist gut – das kann man geniessen. Murmeltiere bringen sich in Sicherheit, sobald sie die SR hören. Schade, zu scheu zum fotografieren.
Auswedeln am Madonna del Coletto ? Machen oder nicht machen ? Machen !
Zum entspannten Auswedeln ist die Strasse ein bischen zu ruppig, aber was solls. Die letzten Kehren, dann noch 148 km nach Castelnovo Bormida – autobahnähnliche Ebene.
Marcella vom B&B La Colombaia begrüsst mich freundlich – Ein guter Griff den ich da getan habe. Das Gelände gehörte wohl vor 400 Jahren mal zu einem alten Kloster. Das Haus ist frisch renoviert, grosse, stilvolle Zimmer – absolut empfehlenswert.