Vom nahenden Winter
Colle San Carlo – Col du Petit St-Bernard – Col de l’Isèran – Col du Mont Cenis – Col du Montgenevre – Col de l’Izoard
Der Weg zum kleinen St. Bernard führt mich über den Colle San Carlo. Eine kleinere Nebenstrasse, elegante Kurven, menschenleer. Der kleine Bernhard ist auf der italienischen Seite recht ruppig und teilweise kaputt – da fehlen teilweise Stücke der Strasse, der Rest ist mit Schläglöchern übersäht. Slalom ist angesagt. Die französische Seite ist da schon besser, wenn auch nicht wirklich gut. Aber die Landschaft entschädigt – endlich wieder über 2000.
Unten komme ich an einer Baustelle hinter einem (klar – was sonst : roten) Ferrari zum Stehen. Gehört zu einer kleinen 3-er Gruppe englischer Sportwagen (Porsche und BMW). Da die 3 sich einigermassen an die Limits halten kann ich ihnen ca. 20 km bis kurz vor Tignes fogen. Der Ferrari röhrt, wenn er die Gänge hochzieht ist das schon fast ein Pfeifen, unangenehmer Ton bei der Verfolgung. Vor Tignes muss ein LKW überholt werden, der neue Gondeln für’s Skigebiet geladen hat. Bis sich für mich eine Lücke bietet sind die 3 davon. Macht nichts – Zeit sich etwas wärmer anzuziehen. Ich halte am Parkplatz. Die lange Unterhose die ich mithabe entpuppt sich als Unterhemd. Pech. Also nur dickeren Rolli und Wintermütze – Winterhandschuhe habe ich schon an.
Noch durch Val d’Izere (viel grösser als ich dachte) dann beginnt der Aufstieg zum Iseran, nit 2770m immerhin der höchste beidseitig anfahrbare Straßenpass der Alpen. Eine grandiose Landschaft. Etwas verdrahtet – die Skilifte gehen hoch bis zum Pass. Hier muss das Boarden im Winter ein Traum sein. Aber Motorradwander im Herbst ist es auch! Wer hier obehalb von 2000m Vollgas gibt ist nicht nur lebensmüde (wenig gesicherte Strecke, teils, insbesondere auf der Südseite, ruppiger Belag), sondern dem entgeht einfach der Genuß der Natur. Ich fahre teils bewussst langsam und beobachte, wie mit jedem Höhenmeter die Vegetation mehr und mehr gegenüber der dünnen Luft kapituliert.
Der Winter naht – ich habe ihn gesehen! Oben angekommen ist es richtig kalt – laut GS Bordcomputer -0.5 Grad, es weht ein rauher Wind. Entgegen allgemeiner Kommentare kaum was los. Ab und an ein Motorrad und nur wenige Autos. Leichter Puderzucker ziert die Bergspitzen. Die Südseite will ebenso erwandert werden, die karge Landschaft hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Erst unterhab von 2000m wird die Strasse breiter, die Kehren werden weiter und fordern geradezu zum gasgeben auf.
Im Tal dann Abzweig zum Col Mont Cenis – wenig Spektakel, aber die Strecke ist perfekt zum Cruisen oder auch für Gaskranke. Ich muss mich entscheiden zu welcher Gruppe ich gehöre – und entscheide mich diplomatisch für sowohl als auch (Speedcuisen). Nach der Wanderung am Iseran die perfekte Abwechslung. Die Abfahrt auf der italienischen Seite ist wieder etwas spektakulärer, aber immer noch breit und zügig.
Auf halber Höhe zweigt links eine kleine Strasse ab. Sieht auf der Karte super aus. Zunächst eine schmale, einspurige Strasse, wird nach halbem Weg fast zu einem (allerdings asphaltierten) Waldweg, mit vielen, teils sehr engen, Kehren. Was für ein Kontrast. In Susa dringend tanken – Seit dem Aufstieg zum Iseran keine Tankstelle mehr gesehen.
Ich entscheide mich, nicht wie ursprünglich geplant, den Finestre und die Assietta Kammstrasse zu nehmen, sondern auf direktem (Strassen-) Weg Richtung Col de l’Izoard zu fahren. Die bisherigen Schotterstücke die ich gefahren bin haben mir gezeigt : Man kann das mit der SR durchaus problemlos fahren, für mich persönlich ist Spass aber anders. Also frage ich Victor nach dem Weg zum Izoard. Die verhältnismässig grosse SS24 führt mich zunächst zügig bis nach Oulx, wo sie Richtung Cesana Torinese abbiegt und mich zum Col de Montgenevre bringt. Die Strecke bringt Fahrspass bei höheren Geschwindigkeiten. Der Col de Montgenevre entpuppt sich auf der Seite nach Briancon sogar als unerwarteter Knaller – super Strasse zum fliegenlassen.
Eigentlich zu früh um Feierabend zu machen, und so lasse ich das empfohlene Gite de Terre Rouge erst mal rechts liegen und fahre den Izoard hoch. Zügig zu fahrende Strasse zum Geniessen. Ein Tourer wird versägt (OK, die sassen auch zu zweit drauf). Dann Halt am Refuge Napolen. Hier treffe ich die wohl beste Entscheidung des Tages und frage nach einem Zimmer – und bleibe.
Ein Esel gehört wohl zur Familile hier oben.
Die SR muss gewartet werden. Die Trommelbremse am Vorderrad hängt und stellt sich nicht mehr von alleine zurück. Kenn ich, Vorderrad muss raus, Bremsmechanig saubergemacht werden. Die Leute vom Refuge sind superfreundlich. Nicht nur dass mir sofort angeboten wurde, die SR überdacht neben dem Haus abzustellen, auch bei der Reparatur wird mir sofort Hilfe in Form von PTFE Trockenspray angeboten. Ein halbe Stunde später lüppt die Bremse wieder wie neu.
Kurze Testfahrt zum Pass – sind nur noch 3 Kehren und 80 Höhenmeter – alles gut.
Die Landschaft hier oben ist einfach grandios. Mein persönlicher Favorit der Tour. Nicht ganz so ruppig und schroff wie zb. der Iseran. Unglaublichen Formen und Farben die die Natur den Bergen hier gegeben hat.
Noch vor dem Essen beschliesse ich, den Plan für die restlichen zwei Tage über den Haufen zu werfen und noch eine zweite Nacht hier oben dranzuhängen. Und nach dem hervorragenden Abendessen bereue ich die Entscheidung nicht – Kudos to the cook.